Montag, 25. Juni 2012

Irgendwas mit Medien



Mitte.JS So lautet nicht nur das Idealberufsbild in den Neunzigern, sondern könnte auch ein schlechter Alternativtitel der „ART and PRESS – Kunst. Wahrheit. Wirklichkeit“ sein, die vom 23. März bis zum 24. Juni 2012 im Martin Gropius Bau ausgestellt war. Die Popstars der internationalen zeitgenössischen Kunst wurden hier mit medienrelevanten Werken zusammen ausgestellt.  BILD, die Stiftung Kunst & Kultur und RWE haben sich mit dieser Ausstellung ein unglaublich prestigeträchtiges Projekt gegönnt – ein einziges Schwelgen in Kunst und Namen.
Unter den 56 internationalen Künstlern findet man Größen wie Markus Lüpertz, Joseph Beuys, Gilbert & George, Andreas Gursky, Julian Schnabel, Damien Hirst, Anselm Kiefer, Jonathan Meese, Sigmar Polke, Gerhard Richter, Andy Warhol,  Ai Weiwei – Kunstherz, was willst du mehr?
So blickte man erfreut zunächst in die Gesichter von Gerhard Richters Schwesternschülerinnen, bevor man sich Andy Warhols Autounfall konfrontiert sah. Jonathan Meese setzte sich in übölicher Manier mit dem Medium Presse in einem ganzen Kabinett auseinander. Ai Weiwei verweist mit symbolhaften Armierungseisen auf die chinesische Pressezensur. Ebenso setzte sich Farhad Moshiri mit der iranischen Pressezensur auseinander, indem er internationale Zeitschriftencover als Teppiche weben ließ und hier und da Löcher in diese schnitt. Äußerst viel Vergnügen machten auch die fiktiven Nachrufe auf Bill Clinton, Prinzessin Stephanie von Monaco  oder Kate Moss von Andy McEwen.
Trotz dem imposanten Aufgebot an Stars scheitert die Ausstellung an essentiellen Punkten wie Ingeborg Wiensowski im Spiegel (http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/ausstellung-art-and-press-im-martin-gropius-bau-berlin-a-823847.html, am 27.03.2012) feststellt. Tiefgang und Anspruch sind diskutabel. Anselm Kiefers überdimensionale Installation  "Die Buchstaben", eine Reminiszenz an das aussterbende Druckereihandwerk, Druckmaschinen mit Sonnenblumen statt bedruckten Papierbögen und bleiernden Buchstaben anstelle von Kernen, Ästetisch wie ein Gedicht von Rilke, könnte aber auch die Versinnbildlichung von „Nichts ist so alt wie die Nachricht von gestern“ sein.

Bei vielen Kunstwerken war die thematische Auseinandersetzung mit Medien diskutabel; Pappmachéarbeiten aus Zeitungen strapazieren den Rahmen übergebührlich, auch dieses multimediale Puppentheater/Camera obscura ließ die Intention im Zusammenhang mit  Medien offen. Was  komplett fehlte war der Diskurs innerhalb der Ausstellung. Welchen Sinn hat es, ein Kunstwerk über chinesische Medienzensur neben eines über Medienwirkung zu stellen? So wurde aus einer Kunstaustellung ein hochprätentiöses Jahrmarktspanoptikum.

Abgesehen vom Arrangement war noch ein fehlender Faktor über Medien offenbar, dem insbesondere der Axel Springer Verlag zur Ehre gereicht hätte: Die Medien als 4. Macht im Staat. Wo blieb eine künstlerische Bewertung der Medien als meinungsbildende Kraft, wie es BILD zum Jahreswechsel doch so eindrucksvoll bewiesen hat? Gut, es gab Ansätze: Der „Denkraum“ von Barbara Kruger demonstrierte anhand des Themas Asyl in Deutschland  Meinungsbildung als Strategie. Aber wo war die Zeitung als Waffe?

Noch eine persönliche Geschmacksfrage: Die Idee der Bilderausstellung auf iPads im oberen Stockwerk war sehr sympathisch (auch wenn die BILD-Zeitung der Zukunft auf dem iPad gruselig war), aber wenn man klassische Bilder des 20. Jahrhunderts zum Thema Medien in einer Ausstellung in Berlin zeigt, hätte „Sylvia von Harden“ von Otto Dix, jene exzentrische Journalistin, rot-schwarz kariert mit Monokel und Zigarette, nicht fehlen dürfen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen