Mitte.JS So lautet nicht nur das
Idealberufsbild in den Neunzigern, sondern könnte auch ein schlechter
Alternativtitel der „ART and PRESS – Kunst. Wahrheit. Wirklichkeit“ sein, die vom
23. März bis zum 24. Juni 2012 im Martin Gropius Bau ausgestellt war. Die Popstars
der internationalen zeitgenössischen Kunst wurden hier mit medienrelevanten
Werken zusammen ausgestellt. BILD, die
Stiftung Kunst & Kultur und RWE haben sich mit dieser Ausstellung ein
unglaublich prestigeträchtiges Projekt gegönnt – ein einziges Schwelgen in
Kunst und Namen.
Unter den 56 internationalen
Künstlern findet man Größen wie Markus Lüpertz, Joseph Beuys, Gilbert &
George, Andreas Gursky, Julian Schnabel, Damien Hirst, Anselm Kiefer, Jonathan
Meese, Sigmar Polke, Gerhard Richter, Andy Warhol, Ai Weiwei – Kunstherz, was willst du mehr?
So blickte man erfreut zunächst
in die Gesichter von Gerhard Richters Schwesternschülerinnen, bevor man sich
Andy Warhols Autounfall konfrontiert sah. Jonathan Meese setzte sich in
übölicher Manier mit dem Medium Presse in einem ganzen Kabinett auseinander. Ai
Weiwei verweist mit symbolhaften Armierungseisen auf die chinesische
Pressezensur. Ebenso setzte sich Farhad Moshiri mit der iranischen Pressezensur
auseinander, indem er internationale Zeitschriftencover als Teppiche weben ließ
und hier und da Löcher in diese schnitt. Äußerst viel Vergnügen machten auch
die fiktiven Nachrufe auf Bill Clinton, Prinzessin Stephanie von Monaco oder Kate Moss von Andy McEwen.
Trotz dem imposanten Aufgebot an
Stars scheitert die Ausstellung an essentiellen Punkten wie Ingeborg Wiensowski
im Spiegel (http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/ausstellung-art-and-press-im-martin-gropius-bau-berlin-a-823847.html, am 27.03.2012) feststellt. Tiefgang
und Anspruch sind diskutabel. Anselm Kiefers überdimensionale Installation "Die Buchstaben", eine Reminiszenz
an das aussterbende Druckereihandwerk, Druckmaschinen mit Sonnenblumen statt
bedruckten Papierbögen und bleiernden Buchstaben anstelle von Kernen, Ästetisch
wie ein Gedicht von Rilke, könnte aber auch die Versinnbildlichung von „Nichts
ist so alt wie die Nachricht von gestern“ sein.
Bei vielen Kunstwerken war die thematische Auseinandersetzung mit Medien diskutabel; Pappmachéarbeiten aus Zeitungen strapazieren den Rahmen übergebührlich, auch dieses multimediale Puppentheater/Camera obscura ließ die Intention im Zusammenhang mit Medien offen. Was komplett fehlte war der Diskurs innerhalb der Ausstellung. Welchen Sinn hat es, ein Kunstwerk über chinesische Medienzensur neben eines über Medienwirkung zu stellen? So wurde aus einer Kunstaustellung ein hochprätentiöses Jahrmarktspanoptikum.
Abgesehen vom Arrangement war noch ein fehlender Faktor über Medien offenbar, dem insbesondere der Axel Springer Verlag zur Ehre gereicht hätte: Die Medien als 4. Macht im Staat. Wo blieb eine künstlerische Bewertung der Medien als meinungsbildende Kraft, wie es BILD zum Jahreswechsel doch so eindrucksvoll bewiesen hat? Gut, es gab Ansätze: Der „Denkraum“ von Barbara Kruger demonstrierte anhand des Themas Asyl in Deutschland Meinungsbildung als Strategie. Aber wo war die Zeitung als Waffe?
Noch eine persönliche Geschmacksfrage: Die Idee der Bilderausstellung auf iPads im oberen Stockwerk war sehr sympathisch (auch wenn die BILD-Zeitung der Zukunft auf dem iPad gruselig war), aber wenn man klassische Bilder des 20. Jahrhunderts zum Thema Medien in einer Ausstellung in Berlin zeigt, hätte „Sylvia von Harden“ von Otto Dix, jene exzentrische Journalistin, rot-schwarz kariert mit Monokel und Zigarette, nicht fehlen dürfen.
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