Mitte.JS Es soll kein weiteres Think tank
sein, dass mit Gutachten, Kamingesprächen und Symposien gute Ratschläge an die
Regierenden weitergibt, die dann bei der Entscheidungsfindung nivelliert
werden. Es geht darum innerhalb der Gesellschaft die Diskurse mitzugestalten,
Denkanstöße innerhalb der öffentlichen Diskussion zu geben und als gesellschaftlicher
Akteur zu versuchen die Welt zu verbessern "denken.handeln.wirken" -
so beschrieb die Präsidentin des Instituts, Frau Gesine Schwan, Auftrag und
Aufgabe der School of Governance in ihrer Eröffnungsrede. Hierfür berichtete
sie stolz von den bisher erreichten Projekten, wie beispielsweise der
Zusammenarbeit mit afghanischen zivilgesellschaftlichen Akteuren.
Anschließend führte der Leiter des
Governance Centers Middle East | North Africa Prof. Dr. Udo Steinbach den Diskurs von der Arbeit des Governance Centers auf das
Thema des Abends "Chancen für Freiheit und Demokratie in Nordafrika und
dem Nahen Osten". Hierfür gab er dem zahlreichen Publikum einen
allgemeinen einleitenden Überblick über die Entwicklung des Arabischen
Frühlings und stellte die Ereignisse der letzten anderthalb Jahre in den
historischen Zusammenhang mit den arabischen Revolutionen seit den
Fünfzigerjahren, angefangen bei Jamal Abdel Nasser. Seine Einführung
abschließend, stellte er die interessante vorläufige These auf, dass bis zum
gegenwärtigen Moment in der Dynamik der aktuellen arabischen Rebellionen die
Synthese aus Demokratiebestrebungen und religiös-kultureller Identität versäumt
wurde und diese beiden Faktoren sich bis heute gegenseitig behindern.
Prof. Dr. Peter Eigen,
Gründer von Transparency International setzte in seinen Begrüßungsworten
den Akzent auf die Notwendigkeit der Korruptionsbekämpfung beim Policy
building. Er verwies dabei auf die
Zusammenarbeit mit Jordanien. In der eigentlichen Podiumsdiskussion wurde die
Entwicklung der arabischen Rebellion anhand der Beispielländer Marokko,
Tunesien, Algerien und Ägypten spezifiert. Hierfür waren als Referentinnen Dr.
Hala El-Hawari, frisch aus Kairo eingetroffen, Dr. Sonja Hegasy, sowie PD Dr.
Sigrid Faath als Gesprächspartnerinnen eingeladen. Die Bilder und Perspektiven hätten
unterschiedlicher nicht sein können.
So wurde die Lage in Algerien als
sehr gedämpft beschrieben, die Schrecken des Bürgerkrieges in den
Neunzigerjahren seien noch zu sehr präsent, als dass die Bevölkerung stärkeren
Widerstand proben würde. Auch in Tunesien würden sich die Reformbestrebungen
ins Gegenteil verkehren. Sigrid Faath zog hierfür Tunesiens Pressefreiheit als
Beispiel herbei. Im Gegensatz dazu zeigte sich Sonja Hegasy, Vizepräsidentin
des Berliner Zentrums Moderner Orient, über den Reformprozess in Marokko
zuversichtlich, setzte aber die politische Dynamiken in den Zusammenhang mit
einem längerfristigen Politikprozess, unabhängig vom arabischen Frühling.
Hala El-Hawari konnte als ägyptische
politische Aktivistin aus der unmittelbaren Erfahrungsperspektive berichten. Sie
identifizierte sowohl das gegenwärtige Militärregime wie auch die Muslimbrüder
als Produkt der alten Regierung und Hemmnis demokratischer Bestrebungen. Auch
die Rolle der Medien bewertete sie aus ihrer praktischen Erfahrung als
interessenorientiert, insbesondere die Glaubwürdigkeit staatlicher Medien zog
vehement in Zweifel. Sie bezog eindeutige Position und plädierte für die Rolle
der säkularen, non-militaristischen (vielleicht linken?) Akteure als zentrale
Kraft im positiven Demokratisierungsprozess.
Insgesamt waren die Aussagen der
Referentinnen mit wenig neuen Erkenntnissen verbunden. Dafür kamen in der späteren
Diskussion diverse Fragen und Positionen, die höchst interessant waren: Wie
kann man von einem arabischen Frühling reden? Die Revolutionen in den einzelnen
arabischen Ländern würden doch sehr unterschiedlich verlaufen. Dagegen erhob
sich die Meinung, dass es wohl ein gemeinsamer Arabischer Frühling sei. Alle
Bevölkerungen seien Arabisch und die Probleme aller Länder sind postkolonialen
Ursprungs. Weniger ideologisch, wenn auch mindestens ebenso brisant war die Aussage
und Frage eines arabischen Journalisten: Europa hat bis zuletzt die jetzt gestürzten
Machthaber unterstützt. Wird Europa die Demokratiebestrebung irgendwie
unterstützen? Diese Frage wurde und konnte nicht hinreichend beantwortet
werden. Sie ist aber eine Frage an die Zukunft dieses frisch gegründeten Governance
Centers Middle East | North Africa. Wird dieses Institut das mittels denken,
handeln, wirken in Form von direkten Projekten vor Ort „Politik
aus dem Volk heraus“ machen möchte, als ein politischer Akteur in der Lage sein,
die Transformationsländer des arabischen frühlings direkt und adäquat zu
unterstützen. Es wäre wünschenswert denn ein weiterer Think Tank, der
Akteursanalysen, Symposien, Gutachten, Kamingespräche, Empfehlungen et cetera produziert, davon gibt es wahrlich
genug.
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