Mittwoch, 1. August 2012

Hase und Kuchen



Bevor ich Hase kennenlernte, habe ich Kuchen weitestgehend verweigert. Auch heute würde ich mich keineswegs in der Lage sehen, eigenständig einen Käsekuchen (inzwischen meine Leidenschaft) anzufertigen. Meine Backerfolge beschränken sich auf Mürbeteig – Tarte Tatin und Quiche. Hase, meine Frau hingegen entwickelt beim Backen wahre Leidenschaft, außer bei Mürbeteig, weil der zu fettig ist.

Für das Wochenende hatten sich meine Schwiegereltern angekündigt, die passende Gelegenheit zu backen, befand der Hase. Eine Herausforderung stellte das Zeitmanagement. Freitagmittag sollten meine Schwiegereltern erscheinen. Ich würde mit Ihnen bis zum Nachmittag alleine sein, inklusive dem Kaffeetrinken. Da Donnerstag die Wohnung gereinigt werden sollte, blieb lediglich Mittwochabend zum backen. Ich hatte bezüglich der Planung andere Vorstellungen: Hase würde früher Feierabend machen und  dann innerhalb von 20 Minuten köstliche, luftige Baisers zaubern, die wir dann gemeinsam mit Schlagsahne und Johannisbeerkompott genießen könnten. Wie gesagt habe ich keinerlei Ahnung vom backen, aber Appetit auf Baisers mit Schlagsahne und Johannisbeerkompott. Diese Tatsache spielte aber verständlicherweise keine Rolle in Hases Backplan, wenn man bedenkt, dass diese Dinger stundenlang im Backofen bei niedriger Temperatur vor sich hintrocknen müssen. Mittwoch wird gebacken, basta! Dementsprechend bestand jetzt die Suche nach einem Backwerk, dass auch nach 3 Tage noch frisch genug schmeckt. Käsekuchen fiel somit ebenfalls raus. Bis Dienstag fanden wir keine Lösung. Dienstagabend sollten die Zutaten gekauft werden, bis dahin würde sie fündig sein. Vor dem Supermarkt telefonieren wir und sie teilt mir mit, was ich meinen Schwiegereltern Freitag zum Kaffee servieren darf: Quarkstollen. Mir fiel um ehrlich zu sein der Hörer aus der Hand. Es war Mitte Juli, irgendwas um die 30 Grad Celsius und Hase plant Weihnachtsgebäck. Logisch ist es ja, Weihnachtsgebäck wird ab Anfang November gebacken und schmeckt dann manchmal sogar bis Karneval. Sie wird kleinlaut, nachdem ich sie auf diesen Umstand hinweise. Mich beschleicht auch schlechtes Gewissen. 5 Minuten später telefonieren wir wieder. Hase hat sich umentschieden. Ich presche dreist vor: Pfeffernüsse oder Printen? Ich halte ihren Baumkuchen für die passende rhetorische Retourkutsche für mein vorlautes Mundwerk, die sich jedoch 2 Stunden als Realität herausstellt. Auch das Telefonat mit meiner Schwiegermutter über mögliche Deeskalationsmaßnahmen blieb fruchtlos. Hase backt mittwochabends bei über 20 Grad Celsius in einer zweistündigen Prozedur Baumkuchen, mit Marzipan und Aprikosenkonfitüre. Nachdem der Schokoladenguss erkaltet war schaue ich ihr in die strahlenden  Augen und meine: Muffins halten sich doch auch in der Gebäckdose und brauchen doch nur eine halbe Stunde, oder? - kälter kann ein Blick nicht sein. 

Freitag essen wir zu dritt  Baumkuchen zum Kaffee, der äußerst köstlich ist und mich in eine angenehme vorweihnachtliche Stimmung versetzt, die normalerweise beim ersten Last Xmas im Kaufhof Mitte September kommt.

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