Die wichtigste Nachricht des
Abends: Vor wenigen Tagen ging nach 45jähriger Produktion der Lada 2104 von
Band. Dieser Klassiker sowjetischen Automobilbaus wurde seinerzeit 1967 zum
europäischen Auto des Jahres gekürt. Eine Ahnung von Wladimir Kaminers
Beziehung zu diesem rollenden Traum in Pappe bekamen am Montagabend seine Zuhörer im Roten Salon der
Volksbühne. Dabei ging es gar nicht um vielleicht Berlins
gegenwärtig meistgelesenen deutsch-jüdisch-russischen Schriftsteller, sondern um
Robert Scheer und seinem Roman “ Der Duft der Sussita“. Elisabeth Ruge vom
Hanser Berlin Verlag hatte beide Herren dazu eingeladen. Der Umstand, dass die
halbwegs komplette Familie Scheer anwesend war, bereicherte die Lesung ungemein. Angeblich
verstand seine Mutter kein Deutsch. Die Realität strafte jedoch dieser Information
Lügen, denn ihre Kommentare und Tipps auf Ungarisch schienen treffsicher und
passgenau – wenn man des Ungarischen mächtig wäre.
Wladimir Kaminer, Robert Scheer und Elisabeth Ruge zwischen Robert Scheers Eltern |
Das Gespräch zwischen der
Verlagsleiterin und den beiden Literaten verlief im höchsten Maße unterhaltsam.
Nicht nur Kaminer, sondern auch Scheer entpuppte sich als Anekdotenerzähler und
so wurde eine pointierte Geschichte nach der Anderen erzählt, z. B wie die beiden
zueinanderkamen, oder Scheer, der Globetrotter und noch einiges mehr. In der vorgelesenen
Episode seines Buches beschreibt er den „Sussita“, ein legendäres israelisches
Auto. Überraschend- und erfreulicherweise erwies sich die Geschichte neben
höchstem Nostalgie- und Unterhaltungswert als sprachlich ungewöhnlich geschliffen,
rhythmisch und rasant. Dabei pflegen seine Beschreibungen eine abstruse
Skurrilität, wie jenes Antikamelspray, auf Arabisch "Ghamal barra spray", das die
Kamele davon abhalten soll, den Sussita zu vertilgen.
Natürlich ließ sich auch Wladimir
Kaminer nicht lange bitten und las aus seinem neuen Werk „Onkel Wanja kommt“
vor. Über diverse Umwege kam Kaminer auf die russische Literaturrezeption
Kafkas (angewandte Maikäferzoologie) und die Russlandrezeption des deutschen
Massenautors Konsalik (dominante Taiga-Brüste). Welche von den beiden Rezeptionen
abgründiger war ist Geschmacksfrage.
Viel lustiger noch als beide Vorträge
war aber eigentlich der Versuch eines Interviews von Elisabeth Ruge mit beiden
Literaten. Ob es abgesprochenes Kalkül oder der tatsächliche Alltag von
Wladimir Kaminer war - das Publikum wurde Zeuge wie Kaminer und Scheer auf jene
Fragen antworteten, über die sich Kaminer auf jeder dreieinhalbten Seite seiner
Bücher lustig macht. Auch wenn nicht umfassend geklärt werden konnte, warum sie
ausgerechnet auf Deutsch schreiben und was sie mit Hölderlin verbindet, so
konnte man sich doch darauf einigen, dass beide für die deutsche Leselandschaft
eine Bereicherung darstellen. Das Ziel, einen unterhaltsamen Abend zu gestalten und
die Zuhörer zu animieren die Bücher zu erwerben, dürfte beiden Herren wohl
geglückt sein.
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