Mittwoch, 26. September 2012

Antikamelspray und Taigabrüste für die sprachliche Bereicherung



Die wichtigste Nachricht des Abends: Vor wenigen Tagen ging nach 45jähriger Produktion der Lada 2104 von Band. Dieser Klassiker sowjetischen Automobilbaus wurde seinerzeit 1967 zum europäischen Auto des Jahres gekürt. Eine Ahnung von Wladimir Kaminers Beziehung zu diesem rollenden Traum in Pappe bekamen am  Montagabend seine Zuhörer im Roten Salon der Volksbühne. Dabei ging es gar nicht um vielleicht Berlins gegenwärtig meistgelesenen deutsch-jüdisch-russischen Schriftsteller, sondern um Robert Scheer und seinem Roman “ Der Duft der Sussita“. Elisabeth Ruge vom Hanser Berlin Verlag hatte beide Herren dazu eingeladen. Der Umstand, dass die halbwegs komplette Familie Scheer anwesend war, bereicherte die Lesung ungemein. Angeblich verstand seine Mutter kein Deutsch. Die Realität strafte jedoch dieser Information Lügen, denn ihre Kommentare und Tipps auf Ungarisch schienen treffsicher und passgenau – wenn man des Ungarischen mächtig wäre. 

Wladimir Kaminer, Robert Scheer und Elisabeth Ruge zwischen Robert Scheers Eltern
Das Gespräch zwischen der Verlagsleiterin und den beiden Literaten verlief im höchsten Maße unterhaltsam. Nicht nur Kaminer, sondern auch Scheer entpuppte sich als Anekdotenerzähler und so wurde eine pointierte Geschichte nach der Anderen erzählt, z. B wie die beiden zueinanderkamen, oder Scheer, der Globetrotter und noch einiges mehr. In der vorgelesenen Episode seines Buches beschreibt er den „Sussita“, ein legendäres israelisches Auto. Überraschend- und erfreulicherweise erwies sich die Geschichte neben höchstem Nostalgie- und Unterhaltungswert als sprachlich ungewöhnlich geschliffen, rhythmisch und rasant. Dabei pflegen seine Beschreibungen eine abstruse Skurrilität, wie jenes Antikamelspray, auf Arabisch "Ghamal barra spray", das die Kamele davon abhalten soll, den Sussita zu vertilgen. 

Natürlich ließ sich auch Wladimir Kaminer nicht lange bitten und las aus seinem neuen Werk „Onkel Wanja kommt“ vor. Über diverse Umwege kam Kaminer auf die russische Literaturrezeption Kafkas (angewandte Maikäferzoologie) und die Russlandrezeption des deutschen Massenautors Konsalik (dominante Taiga-Brüste). Welche von den beiden Rezeptionen abgründiger war ist Geschmacksfrage.

Viel lustiger noch als beide Vorträge war aber eigentlich der Versuch eines Interviews von Elisabeth Ruge mit beiden Literaten. Ob es abgesprochenes Kalkül oder der tatsächliche Alltag von Wladimir Kaminer war - das Publikum wurde Zeuge wie Kaminer und Scheer auf jene Fragen antworteten, über die sich Kaminer auf jeder dreieinhalbten Seite seiner Bücher lustig macht. Auch wenn nicht umfassend geklärt werden konnte, warum sie ausgerechnet auf Deutsch schreiben und was sie mit Hölderlin verbindet, so konnte man sich doch darauf einigen, dass beide für die deutsche Leselandschaft eine Bereicherung darstellen. Das Ziel, einen unterhaltsamen Abend zu gestalten und die Zuhörer zu animieren die Bücher zu erwerben, dürfte beiden Herren wohl geglückt sein.

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