Samstag, 16. Februar 2013

Django unchained – interkultureller Dialog, etwas reduziert



„Django zahlt heute nicht, Django hat Monatskarte“ (mieser Klimbim-Klassiker) – bis zu Tarantinos „Django unchained“  waren Djangofilme der Inbegriff entspannt moral- und ethikfreier B-Italowestern, eine Spur schlechter und dreckiger als das Clint Eastwood-Pendant. Jetzt ist Django nicht nur farbig, sondern auch mehrfach Oscar-nominiert.



Es sei vorweggenommen, der Film unterhält erstklassig, derweil hat er längst nicht die Begeisterungskraft seiner Vorgänger.

Der schwelende Präbürgerkriegskonflikt zwischen farbigen Sklaven und ihren weißen Herren wird gelöst frei nach Rio Reiser „Macht kaputt was euch kaputt macht!“

Vordergründig eine Hommage an die Western längst vergangener Tage, überwiegt doch das Zitieren eigener Filme; manche Choreographien amüsanter Splatterorgien wirken 1:1 übernommen aus Kill Bill 1 und auch das Einschuss-Sprrotz erinnert stark an platzende Vampire in From Dusk till Dawn. Schlecht ist er trotzdem nicht.

Genial ist - seit neulich immer öfter- Christoph Waltz. Eine analogienstrotzende Rhetorik mit einer Dialektik, dass es einen Hegel aus der Kiste treibt, den deutschen Exzahnarzt und passionierten Kopfgeldjäger Dr. King Schultz aus Düsseldorf hätte man gerne als Philosophielehrer gehabt. Christoph Waltz paliert beim Niedermetzeln mit der gleichen Lässigkeit, die ihn bereits beim Gott des Gemetzels hat gewinnen lassen. Aber, und das ist die Entwicklung, es ist bei Waltz in diesem Film der Blick, wo auch immer er den her hat. Wenn er den Kern seines erkenntnistheorieorientierten Plauderns in seinen Entscheidungen und Handlungen in die Praxis umsetzt, dann ist sein Blick erfüllt vom lodernden Feuer des  Humanismus, zum polarkappenschmelzen! Mit seinem Tod stirbt auch der Film, aber die restliche halbe Stunde ist ja überschaubar.

Django selber ist, wenn man nett ist, sehr nah am Vorbild. Dieser Heldenarsch dient allenfalls zum Nachweis von Gadamers Theorie des Vorgriffs der Vollkommenheit in der philosophischen Hermeneutik. Innerhalb der drei Stunden mutiert Jamie Foxx vom Verbalneanderthaler zum obercoolen Killer „D-J-A-N-G-O,  das D ist stumm“. Ansätze von Moral und Ethik tauchen auf, wenn er seinen Job macht, sind aber ansonsten irrelevant und nivellierbar. Das ist okay für B-Movies, insbesondere bei Western, aber abgesehen von der erfrischenden Diskrepanz zum eloquenten Exzahnarzt, ist das eher mau, was besonders auffällt, wenn Waltz schlussendlich wegfällt und nur der hirnlose, auf Sado gezüchtete Knarrenprotz übrigbleibt. Ist es gemein, festzustellen, dass Subtilitäten wie Mimik und sonstige Expressivitäten bei dieser Rolle eher Sparflamme fahren. Halt, Stop! Das Augenlid zuckt, wenn er  Augenzeuge wird, wie seine Frau übel gequält wird. Normalsterbliche Männer könnten eventuell in ähnlicher Situation flennen oder, je nach Sanguinität, auch übel ausrasten, Django nicht. Was ein heldenhafter, oscarreifer Pappkamerad!

Übel sind auch die Frauenrollen, passive Opfer und grenzdebile Hühner, Claudia Cardinale ist bei Sergio Leone ein Leuchtfeuer der weiblichen Emanzipation dagegen. Kein weiteres Wort sei darüber verloren. 

Don Johnsons Rolle ist quasi direkt kopiert bei Sky Dumont im Schuh des Manitu, aber besser gut geklaut als schlecht erfunden. Samuel L. Jackson durfte sich selber spielen, dafür erkannte man ihn erst, nachdem er bereits schon eine Viertelstunde, gespielt hat.

Fast so toll wie Waltz ist sein Konterpart Leonardo di Caprio. Ein unmenschlicher, kranker Hammersadist im Brokatgewand der Pseudokulturtunte. Anders als bei Django öffneten sich bei Leos Spiel die Abgründe der menschlichen Seele allein durch sein bestmöglich subtiles Spiel. Wenn er seine Schwester begrüßt und küsst, lässt sich bereits die Inkompetenz gegenüber Frauen erfühlen. Sein Delektieren am Hyperwrestling  „Mandingo“ zeugt vom Minderwärtigkeitskomplex und Kastraktionsängsten gegenüber den geschundenen, jedoch physisch überlegenen Farbigen. Seine Rolle war richtig liebevoll gezeichnet und schön gespielt.

Bei Bild und Kamera leistet Tarantino in jedem seiner Filme grandiose Arbeit, so auch bei Django. Ein munteres Potpourrie unterschiedlichster Einstellungen und Qualitäten. Wenn Broomhilde ausgepeitscht wird, ist der Zuschauer via Kamera direkt im 70er-Blaxploitationkosmos. Naturaufnahmen vom Alabama Hills-Glühen, eine Rentierherde, Lousianamoos-behangene Weiden, Herz was willst du mehr? Garniert wird dies mit signifikanten Tarantino-Sprrotz-Gesplatter. Die vorgebliche Hommage an den Low Budget-Western wird konterkariert an diskret-auffälligen Details, die stellenweise an Tim Burton erinnern, der explosive Wackelbackenzahn sei hier genannt, aber die individuelle Ästhetik stört, wenn die unmenschliche Kälte, durch die der Sklaventross wandern muss, durch glitzernde Eiskristallbäume symbolisiert wird, die direkt aus dem DEFA-Hänsel und Gretel-Film entstammen müssen. Als ausgleichende Besonderheit dazu müssen die unangenehm naturalistischen Einstellungen erwähnt werden, wie Broomhildes Auspeitschen und der Mandingosklave  d’Artagnan, der von den Hunden zerrissen wird, nicht sehr schön, aber eindringlich.

Tarantinos Musikauswahl erfüllt die Erwartungen. Sie ist originell und liebevoll. Selbstverständlich  findet sich darunter Ennio Morricone, aber Tarantino schreckt auch nicht vor Hiphop zurück, was furchtbarer scheint, als es im Endeffekt war.

Zwei persönliche Sachen: Verdis Dies irae mittendrin abrupt abzubrechen ist kriminell und Schultz Motivation vor seinem Ende ist unverständlich, Analysen dazu, bittesehr!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen