„Django zahlt heute nicht, Django hat Monatskarte“ (mieser Klimbim-Klassiker) – bis zu Tarantinos „Django unchained“ waren Djangofilme der Inbegriff entspannt moral- und ethikfreier B-Italowestern, eine Spur schlechter und dreckiger als das Clint Eastwood-Pendant. Jetzt ist Django nicht nur farbig, sondern auch mehrfach Oscar-nominiert.
Es sei vorweggenommen, der Film unterhält erstklassig, derweil
hat er längst nicht die Begeisterungskraft seiner Vorgänger.
Der schwelende Präbürgerkriegskonflikt zwischen farbigen
Sklaven und ihren weißen Herren wird gelöst frei nach Rio Reiser „Macht kaputt
was euch kaputt macht!“
Vordergründig eine Hommage an die Western längst vergangener
Tage, überwiegt doch das Zitieren eigener Filme; manche Choreographien
amüsanter Splatterorgien wirken 1:1 übernommen aus Kill Bill 1 und auch das
Einschuss-Sprrotz erinnert stark an platzende Vampire in From Dusk till Dawn. Schlecht ist er trotzdem nicht.
Genial ist - seit neulich immer öfter- Christoph Waltz. Eine
analogienstrotzende Rhetorik mit einer Dialektik, dass es einen Hegel aus der
Kiste treibt, den deutschen Exzahnarzt und passionierten Kopfgeldjäger Dr. King
Schultz aus Düsseldorf hätte man gerne als Philosophielehrer gehabt. Christoph
Waltz paliert beim Niedermetzeln mit der gleichen Lässigkeit, die ihn bereits
beim Gott des Gemetzels hat gewinnen lassen. Aber, und das ist die Entwicklung,
es ist bei Waltz in diesem Film der Blick, wo auch immer er den her hat. Wenn er
den Kern seines erkenntnistheorieorientierten Plauderns in seinen
Entscheidungen und Handlungen in die Praxis umsetzt, dann ist sein Blick
erfüllt vom lodernden Feuer des Humanismus,
zum polarkappenschmelzen! Mit seinem Tod stirbt auch der Film, aber die
restliche halbe Stunde ist ja überschaubar.
Django selber ist, wenn man nett ist, sehr nah am Vorbild.
Dieser Heldenarsch dient allenfalls zum Nachweis von Gadamers Theorie des
Vorgriffs der Vollkommenheit in der philosophischen Hermeneutik. Innerhalb der
drei Stunden mutiert Jamie Foxx vom Verbalneanderthaler zum obercoolen Killer „D-J-A-N-G-O,
das D ist stumm“. Ansätze von Moral und
Ethik tauchen auf, wenn er seinen Job macht, sind aber ansonsten irrelevant und
nivellierbar. Das ist okay für B-Movies, insbesondere bei Western, aber
abgesehen von der erfrischenden Diskrepanz zum eloquenten Exzahnarzt, ist das
eher mau, was besonders auffällt, wenn Waltz schlussendlich wegfällt und nur
der hirnlose, auf Sado gezüchtete Knarrenprotz übrigbleibt. Ist es gemein, festzustellen,
dass Subtilitäten wie Mimik und sonstige Expressivitäten bei dieser Rolle eher
Sparflamme fahren. Halt, Stop! Das Augenlid zuckt, wenn er Augenzeuge wird, wie seine Frau übel gequält
wird. Normalsterbliche Männer könnten eventuell in ähnlicher Situation flennen oder, je
nach Sanguinität, auch übel ausrasten, Django nicht. Was ein heldenhafter, oscarreifer
Pappkamerad!
Übel sind auch die Frauenrollen, passive Opfer und
grenzdebile Hühner, Claudia Cardinale ist bei Sergio Leone ein Leuchtfeuer der
weiblichen Emanzipation dagegen. Kein weiteres Wort sei darüber verloren.
Don Johnsons Rolle ist quasi direkt kopiert bei Sky Dumont
im Schuh des Manitu, aber besser gut geklaut als schlecht erfunden. Samuel L. Jackson
durfte sich selber spielen, dafür erkannte man ihn erst, nachdem er bereits schon
eine Viertelstunde, gespielt hat.
Fast so toll wie Waltz ist sein Konterpart Leonardo di Caprio.
Ein unmenschlicher, kranker Hammersadist im Brokatgewand der Pseudokulturtunte.
Anders als bei Django öffneten sich bei Leos Spiel die Abgründe der
menschlichen Seele allein durch sein bestmöglich subtiles Spiel. Wenn er seine
Schwester begrüßt und küsst, lässt sich bereits die Inkompetenz gegenüber
Frauen erfühlen. Sein Delektieren am Hyperwrestling „Mandingo“ zeugt vom Minderwärtigkeitskomplex
und Kastraktionsängsten gegenüber den geschundenen, jedoch physisch überlegenen
Farbigen. Seine Rolle war richtig liebevoll gezeichnet und schön gespielt.
Bei Bild und Kamera leistet Tarantino in jedem seiner Filme
grandiose Arbeit, so auch bei Django. Ein munteres Potpourrie unterschiedlichster
Einstellungen und Qualitäten. Wenn Broomhilde ausgepeitscht wird, ist der Zuschauer
via Kamera direkt im 70er-Blaxploitationkosmos. Naturaufnahmen vom Alabama
Hills-Glühen, eine Rentierherde, Lousianamoos-behangene Weiden, Herz was willst
du mehr? Garniert wird dies mit signifikanten Tarantino-Sprrotz-Gesplatter. Die
vorgebliche Hommage an den Low Budget-Western wird konterkariert an
diskret-auffälligen Details, die stellenweise an Tim Burton erinnern, der
explosive Wackelbackenzahn sei hier genannt, aber die individuelle
Ästhetik stört, wenn die unmenschliche Kälte, durch die der Sklaventross
wandern muss, durch glitzernde Eiskristallbäume symbolisiert wird, die direkt
aus dem DEFA-Hänsel und Gretel-Film entstammen müssen. Als ausgleichende Besonderheit dazu müssen die unangenehm naturalistischen Einstellungen erwähnt werden, wie Broomhildes
Auspeitschen und der Mandingosklave d’Artagnan,
der von den Hunden zerrissen wird, nicht sehr schön, aber eindringlich.
Tarantinos Musikauswahl erfüllt die Erwartungen. Sie ist originell und liebevoll. Selbstverständlich findet sich darunter Ennio Morricone, aber Tarantino schreckt auch nicht vor Hiphop zurück, was furchtbarer scheint, als es im Endeffekt war.
Zwei persönliche Sachen: Verdis Dies irae mittendrin abrupt
abzubrechen ist kriminell und Schultz Motivation vor seinem Ende ist unverständlich,
Analysen dazu, bittesehr!
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