Samstag, 23. März 2013

Tristan und Isolde – ein Drogentrip



Charlottenburg „ertrinken, versinken, unbewusst – höchste Lust!“ – wer dabei keine feuchten Augen bekommt, ist kein Mensch mehr. Wagners „Tristan und Isolde“ thematisiert hochstilisiert die Abgründe menschlicher Leidenschaft. 
Tristan ist ein treuer Ritter unter Cornwall-König Marke. Im Krieg gegen Irland tötet er den Verlobten der irischen Königstochter Isolde. Diese wird jedoch beim Friedensschluss zwischen Irland und Cornwall zum Friedenspfand. Ausgerechnet Tristan soll sie als Braut für König Marke nach Cornwall überführen. Isolde will Rache nehmen. Anstelle des tödlichen Giftes, mit dem sie Tristan und sich umbringen möchte, erhält sie einen Liebestrank. Das Schicksal nimmt seinen herrlich tragischen Lauf… 


 
(Quelle:youtube)
Samstag führte die Deutsche Oper in Charlottenburg zum letzten Mal in dieser Saison den Tristan auf. Es sei vorweg genommen, der Applaus, die stehenden Ovationen und Bravorufe rissen nicht ab. Das Haus war ausverkauft – zu Recht. Graham Vicks Inszenierung ordnete sich angenehmerweise der Musik unter, ohne dabei beliebig zu sein. Die Bühnendekoration und –Ausstattung erinnerte an die Bilder von Edward Hopper, wenn man von dem Sarg absieht, der allgegenwärtige Tod. Zusätzlich wurde das Bild belebt durch eine Reihe von Statisten, die in etlichen Rollen, wie die Schwangere, der Junkie, die Witwe oder der Arbeiter, Teilaspekte der Rollen von Tristan und Isolde darstellten. Natürlich gab es die obligatorischen Nackten, die sehr schön anzuschauen waren. Das Sterben als „Heimgang“ durch die Glastür in den Hintergrund der Bühne war eine gänsehauterzeugende Interpretation. Bemerkenswert und analytisch hochinteressant war die Transformation des vermeintlichen Todestranks zum „Goldenen Schuss“, den sich beide setzen. Die Liebe ist eine Droge, die wahrlich heftiger ist als gepanschter Wein, sehr, sehr spannend.

Das wichtigste- natürlich – die Musik. Gerade die Musik zu Tristan und Isolde geht in  seiner Einzigartig- und Kompromisslosigkeit direkt ins Herz und eine Etage tiefer. Das Orchester erntete bereits vor den Akten jubelnde Anerkennung des Publikums. Violeta Urmana war eine wundervolle Isolde. Hass und Liebe, Verzweiflung und Euphorie transportierte sie durch ihren Gesang und traf das Publikum voll. Nur im Duett mit Jane Irwin als Dienerin Brangäne, war diese noch eine Spur brillanter und lebendiger. Stephen Gould als Tristan war ebenfalls sehr gut, zweimal allerdings ging sein Gesang in der Orchestermusik unter. Sehr amüsant war die Situation, wie er gen Ende im schrecklich-schönen wagnerischen Textgeschwurbel die Adjektive durcheinander haute.  Sei’s drum. Gerade im letzten Akt brachte er Tristans Schmerz und Wahnsinn in der Dramatik seiner Stimme unglaublich intensiv rüber. Ein Kompliment für Jörg Schörner als Kurwenal und Peter Rose als König Marke, die ihre Nebenrollen, die eine sehr komplexe Emotionalität aufweisen, bestens präsentierten. 

Zu guter Letzt: Gemeckert werden muss ja immer. Das Härchen in der Suppe konnte in der „Liebesnacht“ gefunden werden. Hier lahmte die Dramaturgie. Die Leidenschaft zwischen Beiden hatte den pappsatten Sexappeal einer in die Jahre gekommenen Beziehung. So lümmelten sie sich hervorragend singend auf dem Sofa, wie nach dem gemeinsamen Vertilgen einer Familiensalamipizza. Da war die Andeutung der Leidenschaft direkt nach dem Liebesdrogentrip anderen Kalibers.

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