Der deutsche Bundespräsident
schwingt in der Türkei die eurodemokratische Keule; der türkische
Premierminister schäumt vor Wut; die türkische Opposition jubelt; die deutsche
Presse ist begeistert, die deutsche Bundesregierung segnet es ab. Und sonst?
Die hiesigen medialen Kassandrarufe
verkünden bereits die Eiszeit im deutsch-türkischen Dialog. Die türkische
Opposition spricht inzwischen von Gauck als Opportunisten, denn, um es mit den
Worten der ägyptischen Sängerin Dalida zu sagen: „Paroles, Paroles“- „Worte,
nur Worte“, denen keine Taten folgen. Was also bleibt pragmatisch außer einem
klaren Zeichen gen Ankara? Nicht viel…
Widersprechen muss man allerdings dem
cholerischen Ausbruchs Erdogans, wenn er Gauck unterstellt, sich immer noch für
einen Pastor zu halten. Denn wie heißt es bei Matthäus 7,4: „Wie kannst du zu
deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! - und
dabei steckt in deinem Auge ein Balken?“ Angesichts des fragwürdigen Vorgehens
der staatlichen Exekutive zuletzt am Berliner Oranienplatz, im Hamburger Schanzenviertel
und Stuttgart 21 sind Gaucks Anmerkungen über die staatliche Gewalt in der Türkei
nur hoffärtig zu nennen.
Auch der Vorwurf der Beschneidung
von Presse- und Meinungsfreiheit ist angesichts staatlicher medialer
Intervention via öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seiner bisweilen fragmentarischen
Berichterstattung sehr überheblich. Es bleibt die Frage, ob die Bundesrepublik jene
Feuerprobe bestünde, um sich noch als Demokratieexporteur und Lehrmeister
gerechter Staatenlenkung aufspielen zu dürfen. Es ist keine Frage der
Dimensionen, sondern allein der Tatsache.
Es ist eine Besonderheit der
deutschen Diplomatie angesichts der Historie bei allem Selbstbewusstsein
Sensibilität walten lassen zu müssen Die Konsequenzen der Kritik hiervon
abzuweichen erfuhr Martin Schulz nach seiner Rede im Knesset im Februar 2014. Der
Bundespräsident gedenkt in seiner Rede der türkischstämmigen Opfer der NSU. Wie
kann der oberste Politiker der Bundesrepublik das Vorgehen der türkischen
Staatsorgane verurteilen angesichts der Vielzahl von Opfern und traumatisierten
Angehörigen die dank der mangelhaften Ermittlungsarbeit deutscher Staatsorgane
zusätzlich unter Verdacht gerieten?
Wichtig ist, dass diese Phrasen
ohne nachfolgende Aktion Ausdruck einer kurzsichtigen Symbolpolitik sind.
Vielleicht ist es zu viel des Pessimismus, aber man kann erwarten, dass die
Worte und der darauffolgende Eklat Erdogan in seinem antieuropäischen Kurs nur
noch bestärken. Auch die türkische Bevölkerung wird von den hohlen Worten schlussendlich
enttäuscht sein.
Zuletzt muss einfach gesehen
werden, dass sich Gauck ganz simpel daneben benimmt und dem Gastrecht zuwider
läuft. Man lästert nicht über das Kaffeeservice, wenn man noch an der
Kuchentafel sitzt.
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