Tempelhof.JS Nicht die Loslösung alles Materiellen auf dem Weg zur
Vollkommenheit, sondern eine Elegie über Verlust und Besitz thematisiert Bertolt
Brechts „Hans im Glück“.
Die Theatergruppe Ton und Kirschen zeigt das fragmentarische
Frühwerk im Zelt des Ufa Theaters in Tempelhof. Richtig, man braucht gar nicht
erst seine düstere Erinnerung vom Deutsch-Leistungskurs zwölfte Klasse zu bemühen,
kaukasischer Kreidekreis, Mutter Courage, Galileo, Dreigroschenoper…das Stück
kennt keiner. Die Theatergruppe stieß bei ihrer letzten Frankreich-Tournee auf
einen Regisseur, dem dieses Stück aus dem Nachlass zugespielt wurde.
(Quelle Ton und Kirschen/Jean Pierre Estournet) |
(Quelle Ton und Kirschen/Jean Pierre Estournet) |
Wer bei Open Air Theater vom liebgemeinten Laientheater ausgeht,
wird von Ton und Kirschen eines Besseren belehrt. Das Ensemble überzeugte im
Spiel, die Figuren waren greifbar und detailliert. Rob Wyn Jones gab
einen liebenswert vertrottelten Hans, der genussvoll stellenweise übertrieb,
sei es das Badewasser, das 95 Grad haben müsste oder der Ausraster auf der
Kirmes. Ebenso konnten Margarete Biereye und Polina Borissova ihre Figuren mit
buntem Leben füllen.
(Quelle Ton und Kirschen/Jean Pierre Estournet) |
Noch bemerkenswerter als die schauspielerische Leistung muss
das Bühnenbild, Staffage und Technik erwähnt werden. Das ins Stück integrierte Marionettentheater
oder Details wie der Regen demonstrierten fantasievolle Raffinesse. In
Kombination mit der maroden Schrottoptik ergab das Ganze ein spannendes
Vexierspiel, das sowohl den burlesken Jahrmarktscharme des Open air Theaters
unterstrich, als auch dem Stück eine sentimental-melancholische Poesie verlieh;
der Mond als durchgerosteter Tonnendeckel war zum Sterben schön.
Bis Ende August gibt es die Möglichkeit das kurze, aber
eindringliche Stück in Tempelhof zu sehen, der Genuss ist Lichtjahre vom
Deutsch-LK entfernt.
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