Freitag, 31. Oktober 2014

Zwei Schauspielerinnen/eine Figur: synchron, isoliert, interagierend





Mein Französisch ist katastrophal, ich kenne nicht die Werke von Fernando Pessoa, was ich bedaure; gleichwohl, ich schreibe. 


Le jour naitra bientôt

(Illustration: Matthieu Bourrel)

Le jour naitra bientôt (et nous le regretterions) –Der Tag wird bald geboren werden ( und wir würden bedauern),  als erster Teil eines Projekts über die Werke des portugiesischen Dichters Fernando Pessoa präsentierte Sandrine Nogueira zusammen mit Laurence Barbasetti eine beeindruckende Performance im Boris Vian Saal des Institut Français am Donnerstagabend. Vielleicht ist es zu weit hergeholt, aber die Theaterathmosphäre im Resnais-Film „Letztes Jahr in Marienbad“ kam einem in Erinnerung; war das Publikum, das zu beiden Seiten der Performance saß, ähnlich wie im Film Teil der Performance?

Mit der Hermeneutik eines viel zu langen Fiebertraums konfrontierten die beiden Schauspielerinnen das Publikum mit den Gedanken Pessoas; befremdend und doch vertraut, dabei absolut absurd und dabei restlos real. Zwischen einem schwarz bedeckten Tisch und daran punktgespiegelten Stühlen zelebrierten die beiden Gestalten einer Person eine Apotheose des kleinen Wahnsinns, synchron, isoliert und interagierend.

Ein kleines Kind könnte dabei nicht ernsthafter sein, als Sandrine Nogueira den leeren Raum vermaß und Laurence Barbasetti eine schwarze Wand mit mathematischen Formeln und einer Amplitude mittels Kreide beschrieb. In einem dauerhaften, unmittelbaren, gleichsam fließenden Wechsel änderten sich die Gemüter; war der Ausdruck dominiert von Gewissenhaftigkeit, wechselte er schlagartig zur Manie, fast meinte man Tanz in den immer wiederkehrenden Bewegungen zu sehen.
Das Spiel wurde untermalt von eindringlicher Musik, waren es schwer zu ertragende Dissonanzen, einfühlsames Cello oder einer Industrial-Geräuschkulisse. Parallel dazu warf ein Beamer Bilder vom Universum (oder war es Milchschaum in einer Kaffeetasse?), dem Meer oder Bäumen auf dem Feld an die Wand. Die Unmittelbarkeit zwischen Publikum und Schauspielerinnen wurde gebrochen durch rote Fäden, die die beiden mit unglaublicher Hast zwischen Fenster und Stühlen spannten. Zu guter Letzt flochten sie Weingläser zwischen die Schnüre, keines fiel…

Sandrine Nogueira/Laurence Barbasetti (Foto: Sophie Galibert)
Zwei Momente unglaublicher Intensität möchten hervorgehoben werden: Nicht nur die Attitüde in der Performance änderte sich ununterbrochen, sondern auch die Stimmungen wie bei einem Manisch- Depressiven. Der Moment, als beide zunächst harmonisch zueinanderfanden, Zärtlichkeiten austauschten und Barbasetti dann jäh Nogueira zu Boden schmetterte und das in einem immer wiederkehrenden Zyklus, ließ viele im Publikum die Luft anhalten. Ebenso ergreifend war der minutenlange Lachanfall von Nogueira, man wusste nicht ob es eskalieren würden zum Weinen oder Toben. Hinterher gestand sie, dass es eine unglaubliche physische Herausforderung gewesen sei, diese Spannung zu halten, Respekt!
Den Künstlerinnen gelang es, das Panoptikum menschlicher Regungen gefangen im Surrealismus dem Publikum nahezubringen, ebenso wie die Lust Pessoa zu lesen um seine Schizophrenie zu entdecken. Der erste Teil war bravourös, mehr davon!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen