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Foto:Jean-Pierre Estournet |
Potsdam. JS Wann ist ein Mensch
ein Mensch und ab wann ein Sowjet? Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Michail
Bulgakow präsentiert die Theatergruppe Ton und Kirschen in der Fabrik in
Potsdam „Hundeherz“. Im russischen Winter der 20er Jahre errettet Professor
Fillip Fillipowitsch einen streunenden Hund vor dem Erfrierungstod. Das macht
er jedoch nicht ohne Hintergedanken. Als chirurgische Koryphäe für
Xenotransplantion beabsichtigt er die Implantation der Hypophyse und der Testikel eines jüngst verstorbenen
Kleinkriminellen in den Hund. Die Operation verläuft erfolgreich und der Hund
beginnt ausgesprochen menschlich zu werden, schlimmer noch: die Kinderstube des
Vorbesitzers der Implantate dringt durch. Das sorgt für reichlich Ungemach in
der Wohngemeinschaft. Im Gegensatz zu seinem bourgeoisen Kreateur arrangiert
sich Sarik Sarikow, wie der ehemalige Hund jetzt heißt, hervorragend mit dem
sowjetischen Regime und beginnt eine aussichtsreiche Karriere in der
Stadtreinigung. Bevor er seinen konterrevolutionären Meister ans Messer liefern
kann, zieht der Professor die Notbremse und führt Sarik mittels einer zweiten
Operation wieder mit allen vier Pfoten auf den Boden der Tatsachen zurück.
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Foto:Jean-Pierre Estournet |
Sowjetische Kälte und Momente
klassischen Grand Guignols erwarteten das zahlreiche Publikum. David Johnston
gab einen herrlich arroganten Professor, der beinahe jeden Satz vor
Selbstgefälligkeit strotzen ließ. Nelson Leon als Sarik Sarikow gab den
tierisch guten Gegenpart. Der wirkliche Star des Abends war eine
Hundemarionette, lebensecht und vor allem tatsächlich mitleidserregend. Dem Ensemble
gelang es, mit scheinbar einfachen Requisiten das Stück stimmungsvoll in Szene
zu setzen. Die Operation als herrlich ekliges Beispiel sorgte im Publikum für
amüsiert-angewidertes Schaudern und jedes Mal, wenn wieder ein bisschen Blut an
die Scheibe spritzte, sorgte dies für Lacher. Deutlich spürbar wurde der Atem
angehalten, als gen Ende eine gar kunstvolle Marionette von Sarikow im Hybridstadium
die Bühne betrat.
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Foto:Jean-Pierre Estournet |
Erinnerte die Geschichte insbesondere
bei der Operation an Frankenstein und damit auch an die Diskussion um den
menschlichen Eingriff in göttliches Werk, so warf sie doch noch andere Fragen auf,
wie über den menschlichen Umgang mit Tieren, da der Hund sowohl als Mensch wie
Tier keine Daseinsberechtigung hat, sondern nur als Projektionsfläche für die
wissenschaftlichen Allmachtsfantasien des Professors dient. Ebenso stellt Bulgakow
leise aber deutlich vernehmbar die Frage nach dem neuen Menschenbild des
Kommunismus in Frage.
Ton und Kirschen schaffte es,
sein Publikum mit „Hundeherz“ bestens zu unterhalten und in wunderschöner
Kulisse mit originellen Requisiten die russische Satire aufleben zu lassen. Als
Johnston am Ende des Applauses seine ihm überreichte Rose lässig ins Becherglas
warf, zuckte man zusammen, immerhin war das blutrot gefärbte Wasser vor fünf
Minuten noch die Nährlösung für das
herausoperierte Gekröse. Aber nach der Vorstellung den Hund der Theatergruppe
ohne Puppenspieler zu sehen hatte etwas Gruseliges…
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